1. Symptome der Krise
Gemäss WEF-Indikator sind wir bezüglich Wettbewerbsfähigkeit absolute Spitze, laut „Happiness-Report“ der UNO die glücklichsten Menschen und nach Economiesuisse die innovativste Wirtschaft. Ich sorge mich trotzdem um die Zukunft meiner Enkel, aber nicht wegen des Klimas als vielmehr des Politikversagens mit drei Treibern.
Der erste ist die Ablösung der Konkordanz durch die Polarisierung im politischen System und das damit verbundene Abdriften der Mitte nach links. Dieses Linkskippen gilt sowohl für den Bundesrat wie das Parlament und vor allem die immer mächtiger werdende Verwaltung. Das zweite Phänomen bezeichne ich als Wohlstands-Schizophrenie. Wir haben wirtschaftlich fast alles erreicht und wollen der ganzen Welt ein Vorbild zu sein. Also verrennen wir uns in global betrachtet rein symbolische aber für uns teure Alleingänge in der Klima- und Energiepolitik. Gleichzeitig lassen wir hausgemachte Probleme im Gesundheitswesen oder der Alterssicherung in eine nicht-nachhaltige Umverteilung zulasten der Jüngeren hineinschlittern. Markt- und Technologiefeindlichkeit erfassen breiteste Kreise. Wir beschwören Innovationen, aber betreiben Strukturerhaltung. Forderungen nach Verzicht oder Suffizienz treten an die Stelle von Fortschritt und Effizienz. Wir müssen unseren Konsum aus ökologischen Gründen einschränken, aber die Einkommen oder Renten dürfen natürlich um keinen Rappen sinken. Die Lehrer predigen den Kindern Bescheidenheit; aber verlangen ungeniert happige Lohnerhöhungen.
Drittens nimmt das staatsgläubige Mainstream-Denken überhand und bewegt sich weg vom freien Markt und der Selbstverantwortung hin zur staatlichen Dominanz von immer mehr Lebensbereichen. Immer wenn es um die höhere Moral bei sozialer Solidarität, der Demokratisierung der Wirtschaft, ökologischer Nachhaltigkeit und Ausweitung der Staatsaufgaben geht, kippen grosse Teile des freisinnigen Lagers in anti-liberale Denk- und Handlungsmuster
2. Die neuen Ideologien
Die marxistischen Formeln des Sozialismus sind passé, aber durch einen «Sozialdemokratismus» ersetzt worden. Dieser orientiert sich am Egalitarismus und will durch radikale Umverteilung und Sozialrechte «soziale Gerechtigkeit» erzwingen. Der Kommunitarismus will die Wirtschaft demokratisieren und so den individualistischen Markt durch kollektive Solidarität und Diskurs ersetzen. Das Verhalten am Markt wird durch «Exit» dominiert. Wenn mir im Markt etwas nicht passt, wechsle ich einfach den Marktpartner. Im Kommunitarismus jedoch steht «Voice» im Vordergrund. Wir sollen so lange und so uneigennützig diskutieren, bis wir eine einvernehmliche und sozialverträgliche Lösung gefunden haben. Diese Politik will «Exit» durch «Voice» ersetzen und zwar gerade auch in marktwirtschaftlichen Beziehungen. Produkte müssen «fair» sein, Löhne «nicht-diskriminierend» und Esswaren «nachhaltig».
Der sich am menschgemachten Weltuntergang orientierende Ökologismus predigt Nachhaltigkeit und Selbstbeschränkung. Dabei operiert er primär mit der Verbreitung von Angst und Schrecken und deckt Fakten und Forschung mit Moralisierung zu. Der Klimawandel ist zum religiösen Ersatz für die Hölle verkommen. Wissenschaftlich unhaltbare Konzepte wie «die Grenzen des Wachstums», die 2000-Watt-Gesellschaft oder der ökologische Fussabdruck sind zu absoluten Heilsbotschaften verkommen. Und die Wissenschaft erweist sich als erpressbar sowohl durch Zuckerbrot wie Peitsche, vor allem bei Gender Studies, der Klimapolitik oder der Gentechnik. Auf jedes noch so schwaches Marktversagen oder noch so kleines gesellschaftliche Problem folgt sofort der Ruf nach einer starken staatlichen Intervention. Dahinter steckt ein Glaube an die politische Machbarkeit von allem und jedem. Übersehen wird dabei aber, dass in aller Regel das Staatsversagen – sei es Politikversagen in der Entscheidungsfindung oder in der Umsetzung - viel schwerwiegendere Konsequenzen hat als das ursprüngliche Problem.
3. Schlussfolgerungen
Wir verlieren auf diesem falschen Weg sowohl an persönlicher Freiheit wie an freiwillige Solidarität. Dafür verantwortlich sind ausgerechnet die neuen Ersatzreligionen, die den moralischen Anspruch erheben, die Welt oder uns Menschen zu verbessern oder gar zu retten. Wir stehen in der Schweiz vor tiefen Abgründen, angefangen von der Energiewende, unserem Verhältnis zu Europa, in der Alters- und Gesundheitspolitik, in der grün-roten Reglementierung, aber auch der Entmündigung der Bürger durch ein allgegenwärtiges Anspruchs- und Schutzdenken. Eine Umkehr im Sinne eines liberalen „Revivals“ ist dringlich. Der Test für Liberalismus sind robuste liberale Institutionen. Diese garantieren Wohlstand und Fortschritt auch ohne hochmoralische Menschen, ohne perfekte Rationalität und ohne vollkommene Konkurrenz. Fehlendes Wissen ruiniert eine zentrale Planwirtschaft, aber bereichert eine Marktwirtschaft, indem innovative Anreize zur Wissensvermehrung gesetzt werden.